Der Fachautor Björn Nölte legt mit diesem 160-Seiten-Bändchen in der Reihe „Upgrade“ ein Vademekum, einen Leitfaden vor für zukünftige und aktive Lehrer und all jene, die in irgendeiner Form in der Lehre tätig sind.
Eine Kurzbeurteilung voran:
Das Bändchen darf als unverzichtbar in einer zeitgemässen Lern- und Arbeitskultur angenommen werden, richtig toll gelungen!
Der Inhalt basiert auf Erfahrungswissen des Autors, denkt und unterstützt Bildungsarbeit und speziell Schule in absolut praxisorientierter Weise.
Auf jeden Fall empfehlenswert!
Das Buch lässt sich grob in drei Teile gliedern:
Angefangen von der Begriffserläuterung und Abgrenzung der Kollaboration zur Kooperation über verschiedene Kollaborationsmodelle geht Nölte in einem zweiten Teil sehr schnell in die praktische Umsetzung dieser Lernform hinein. Diagnostizieren kollaborativen Lernens und die Bewertung kollaborativer Leistung finden dort in plastisch-praktischer Weise ihren Platz und schliessen die Klärung damit verbundener Spannungsfelder mit ein.
Hilfreich sind die Hinweise auf verschiedene Bewertungsaspekte und inhärente Herausforderungen, etwa Prozess-Beurteilung und Produktbeurteilung.
Zudem stellt der Autor konkrete und erfolgreich angewandte Erfahrungsbeispiele Dritter vor.
Dass die Handreichungen Nöltes praktikabel sind, kann der Rezensent auch aus eigener kollaborativer Unterrichtspraxis in Fächern wie Musik, Theaterpädagogik, kreatives Schreiben im Sprachunterricht, aber auch aus der Projektarbeit ohne Themeneinschränkung bestätigen.
Methodisch ist dieses Buch wirklich ein tolles Hilfsmittel!
In einem dritten Bereich beschreibt Nölte, wie die kollaborative Arbeit anhand darauf ausgerichteter Schulkonzepte in der Praxis funktionieren kann.
(Eigentlich geht es dabei ja nicht nur um Einzelmodule oder –Fächer, sondern im Prinzip um eine grundlegende Lern-, Arbeits-, Lehr- und Lebenshaltung.)
Er greift hierzu Hintergrundwissen auf, das wir aus der Psychologie sowie aus verschiedenen allgemein bekannten Studien kennen – kennen sollten – und leuchtet die Themen Beziehung und Status ganz besonders mit Schweinwerfern an.
Dieser Abschnitt mündet dann in Kapiteln, in denen es um eigenes Wissens- und Kollaborationsmanagement geht. Der Autor gibt auch hier konkrete und funktionierende Handreichungen zur Umsetzung.
Schliesslich findet der Leser einen Hinweis auf das Download-Material. Dieses knüpft harmonisch an den Buchinhalt an, bietet erläuternde Vertiefungen, stets sehr übersichtlich, didaktische Handreichungen sowie 1:1-Vorlagen für den praktischen Unterricht. Nicht zu vergessen: Online-Tools, die als Hilfsmittel in Funktionsweise und Einbindung in die praktische Arbeit vorgestellt werden sowie umfangreiche weiterführende Links.
Ein Plädoyer des Rezensenten an alle Fortbildner, inkl. Hochschullehrer und Studienseminarleiter: integriert in der Arbeit mit diesem Buch stets den Aspekt, welche Aufgaben bei den kollaborativen Prozessen das schulische Verwaltungspersonal (Hausmeister, Sekretariatsmitarbeiter etc.), Mitarbeiter der örtlichen Gebäudeverwaltung und Schulamtsleiter, Bezirks-Schuldirektoren und dgl. zu übernehmen haben. Oder andernfalls: sich herauszuhalten. Wer bietet, redet mit, wer nicht bietet, ist nicht kollaborationsfähig und stellt demgemäss bitteschön auch keine Forderungen!
Eigentlich eine Grundregel kollaborativer Arbeit.
Und bezieht nichtschulische Aussenstehende in Eure kollaborativen Arbeitsformen ein. Da liegt ein Riesenpotential! Eltern, Freunde, Nachbarn, Handwerksbetriebe, wer immer auch in Frage kommt!
So eindeutig gelungen dieses Werk als Hilfe im Unterrichtseinsatz ist, es fehlt der verbindliche Appell zum Umgang mit den Verwaltungsstrukturen:
Sowohl schulinterne wie ganz besonders nötig übergeordnete Strukturen werden bis auf ein paar bewertungsrechtliche Aspekte mit keinem Wort erwähnt.
Wenn die Adminstrativumgebungen mit ihren bekanntermassen überfordernden und laufend mit der Dienstrechtskeule drohenden nebenunterrichtlichen Ansprüchen nicht blitzartig (sic!) auf die Praxisebene herunter geholt werden, bleibt vieles in diesem Büchlein nur bedingt umsetzbar oder aber wird zu zusätzlichem Leistungsdruck für Lehrer führen. Die Verwaltungstäter werden dann weiterhin die Schulpraxis in Formalismen ertränken, erst recht offene kollaborative Arbeitsweisen mit entsprechend angemessenen Bewertungsformen, die sich oft durch eine experimentelle Komponente auszeichnen.
Das schränkt den Wert dieser vorliegenden 1. Auflage nicht im Geringsten ein.
Der Rezensent richtet diese Kritik als Einladung an den Verlag und den Autor, in einer 2. Auflage oder einem möglichst umgehend folgenden separaten Schwerpunktband diese Aspekte sehr dezidiert zu ergänzen und zu adressieren.
Denn ohne rabiate (!) Veränderungen in der Schulverwaltung und -aufsicht wird sich das schulalltägliche Belastungsdesaster auch mit solch wundervollen Tools nicht beseitigen lassen. Facilitating auf allen Ebenen und systemische Augenhöhe sind unumgänglich, wollen wir das Potential von Kollaboration und damit die „Futability®“ unserer Schullandschaften wirklich ausrollen.
(Anm: Futability® ist eine geschützte Marke von Melanie Vogel, Bonn)
bibliographische Angaben:
Nölte, Björn:
Upgrade: Kollaboratives Lernen
Sehen – Fördern – Bewerten
Klett-Kallmeyer, Dezember 2022
158 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-7727-1656-0
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